Traumatherapie

In den letzten Jahren wurde die erhebliche Bedeutsamkeit von Traumatisierungen für die Entstehung psychischer Erkrankungen immer deutlicher herausgearbeitet und auch erforscht.

Hierdurch hat sich die Traumatherapie rasant weiter entwickelt und ist heute aus ambulanten und stationären Psychotherapien nicht mehr wegzudenken.

Bisherige psychotherapeutische Behandlungsansätze wurden kritisch reflektiert und für traumatisierte KlientInnen neue Ansätze entwickelt, die die Besonderheiten der posttraumatischen Hirnphysiologie mit einbeziehen.

Dadurch konnte traumatisierten KlientInnen wesentlich effektiver geholfen werden.

Ich möchte mit dieser Internet-Information dazu beitragen, diese Erkenntnisse sowohl Fachleuten als auch Betroffenen zugänglich zu machen, um die Bewältigung traumatischer Erfahrungen zu erleichtern.

Der Schwerpunkt und die Dauer einer traumatherapeutischen Behandlung hängen auch von der Art der Traumatisierung ab.

Bei einem so genannten „Monotrauma“, also einer einmaligen überwältigenden Erfahrung z.B. einem Verkehrsunfall und ansonsten stabilen und unterstützenden Lebensumständen ist es durchaus möglich, nach einer kurzen Stabilisierungsphase das Trauma mit speziellen Techniken durchzuarbeiten, so dass die Therapie in wenigen Wochen oder Monaten abgeschlossen sein kann.

Bei so genannter „komplexer Traumatisierung“, d.h. häufigeren, länger anhaltenden oder biografisch frühen Gewalterfahrungen ist das Vorgehen anders, da hier zuerst Stabilität aufgebaut werden muss.
Meist haben die Traumaerfahrungen das Leben und die Persönlichkeit derartig stark geprägt, dass es vor allem darum geht, ein neues Selbstbild, verbessertes Selbstwertgefühl, Selbstfürsorge und Achtsamkeit für eigenes Erleben und eigene Grenzen aufzubauen.
Nicht selten geht es auch vorrangig darum, sich in Sicherheit zu bringen, wenn noch Kontakt zu Tätern besteht, oder eine destruktive Partnerschaft zu beenden. Diese Phase der Stabilisierung kann Monate oder auch Jahre umfassen.

Immer geht es in der Traumatherapie zunächst darum, die Ressourcen zu stärken, um ein Gegengewicht und Gegenbilder zu den schrecklichen Erfahrungen aufzubauen.

Das Wort Ressource stammt von dem franz. Wort source (Quelle) und meint Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kraftquellen, auch Hilfreiches und positive Bilder.

Erst wenn der Boden durch genug Ressourcen abgesichert wird, ist es sinnvoll, sich dem Trauma (-abgrund) noch einmal anzunähern.

Wenn dies zu früh und ohne ausreichende Steuerung geschieht, dann kann es zu einer sog. „Retraumatisierung“ kommen.

Jedes erneute Durchleben / Erinnern eines Traumas, das wiederum überwältigende Qualität hat, ist eine Retraumatisierung, weil die Seele diese Überflutung nicht integrieren und verarbeiten kann.

Jedes Flashback vertieft daher das Traumamuster und sollte so rasch wie möglich beendet werden.

Traumatherapie verläuft üblicherweise in Phasen, die auf den nächsten Seiten kurz beschrieben werden.

Dies ist die wichtigste Phase der Traumatherapie, die sich manchmal auch über Jahre erstrecken kann.

Für einige Betroffene reicht diese Phase auch aus. Sie haben danach ihre Symptome und die Auswirkungen ihrer Traumatisierung im Griff und eine so gute Lebensqualität erreicht, dass sie sich entscheiden, keine Traumadurcharbeitung mehr zu machen. Eine solche Entscheidung sollte respektiert werden.

In dieser Phase geht es um den Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung, um die Erarbeitung von Therapiezielen sowie um eine Bestandsaufnahme der Symptome, aber auch der Ressourcen und Kompetenzen der KlientIn.

In der Stabilisierungs-Phase lernen traumatisierte Menschen, auch mithilfe von Imaginationsübungen wie z.B. „Wohlfühlort“ oder „Tresor-Übung“, Distanz zum Trauma aufzubauen und hierdurch Überflutungen mit Trauma-Erinnerungen zu begrenzen.

Das Aufsuchen des Wohlfühl-Ortes oder Inneren Sicheren Ortes kann helfen, Ängste zu bewältigen, sich wieder sicherer zu fühlen und aufzutanken.

Die Tresor-Übung ermöglicht es, sich von belastenden Bildern zu distanzieren, indem diese in einem sicheren und verschließbaren Behältnis aufbewahrt werden, so dass sie nicht mehr den Alltag durchkreuzen.
Zu einem späteren Zeitpunkt könnten sie dann aus dem Tresor hervorgeholt und gezielt bearbeitet werden.

In der Stabilisierungsphase geht es auch darum, die eigenen Symptome besser zu verstehen und hiermit konstruktiv umzugehen.

Es wird ein besseres Selbstwertgefühl erarbeitet, die
sozialen Beziehungen werden verbessert und Fähigkeiten weiter entwickelt, sich abzugrenzen und für sich zu sorgen.

Es geht darum, Gefühle besser zu dosieren und hiermit klar zu kommen.

Auch wird zum Körper (wieder) mehr Kontakt aufgenommen.

Auch die Arbeit mit dem „Inneren Kind“ ist in dieser Phase sehr hilfreich.

In dieser Phase wird das Trauma mithilfe spezieller erleichternder Techniken (z.B. EMDR, Bildschirm-Technik, TRIMB) noch einmal genauer betrachtet und durchgearbeitet.

Wichtig ist hierbei, dass dies kontrolliert und dosiert geschieht, damit es nicht zu einer Retraumatisierung kommt.

Voraussetzungen für die Durcharbeitung sind stabile Lebensumstände, äußere Sicherheit, ausreichende Selbstfürsorge, die Fähigkeit, sich selber Trost zu geben und die eigenen Gefühle aushalten und steuern zu können.

Die EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization Reprocessing) wurde von Francine Shapiro in den USA entwickelt. Sie hat sich zur Traumadurcharbeitung bewährt und daher weltweit recht rasch verbreitet.

Durch eine wechselnde Rechts-Links-Stimulation
(= bilaterale Stimulation) werden traumaverarbeitende Prozesse im Gehirn in Gang gesetzt. Hierfür können Augenbewegungen („mit den Augen Scheibenwischer-Bewegung verfolgen“) oder andere Reize eingesetzt werden, z.B. Klopfen auf Knie oder Oberarme, so genanntes „Tapping“.

EMDR ist möglicherweise vergleichbar mit den Augenbewegungen während des REM-Schlafs, bei dem Erlebnisse und Erfahrungen durch „Verträumen“ verarbeitet werden.

Durch die bilaterale Stimulation werden so genannte Trauma-Netzwerke aktiviert, also die „Dateien unseres Gehirn-Computers“, die traumatisches Material abgespeichert haben. Durch EMDR werden diese Erinnerungen re-aktiviert, durchgearbeitet und integriert.

Hierbei kann es auch zu heftigen Abreaktionen kommen, d.h. heftigen und bisweilen überwältigenden emotionalen oder körperlichen Erfahrungen.
Daher sollte diese Behandlung nur von sehr erfahrenen und traumatherapeutisch gut ausgebildeten TherapeutInnen durchgeführt werden, damit es nicht zu Retraumatisierungen kommt.

Bei der Bildschirm-Technik geht es darum, das erlebte Trauma wie einen alten Film mit großem Abstand noch einmal nach zu erleben und hierbei die begleitenden Erinnerungen, Gefühle, Gedanken und Körper-Reaktionen bewusst wahrzunehmen und „portionsweise“ zu verarbeiten.
Am Ende des Trauma-Filmes wird noch eine sichere Situation aufgerufen, bei der das Trauma ganz sicher zu Ende gewesen ist.

Damit dies nicht überflutend wird und aushaltbar bleibt, wird in der Vorstellung das Geschehen auf eine Leinwand oder einen Bildschirm projiziert, so dass die Szene mit sehr viel Abstand betrachtet werden kann.

Mit Hilfe einer (in der Phantasie vorgestellten) Fernbedienung kann zudem der Abstand vergrößert werden, z.B. indem der Bildschirm verkleinert oder der Film mit der Freeze-Taste angehalten wird.
Auch können Filme und Bilder entschärft werden, z.B. indem die Farbe reduziert oder der Ton leiser gestellt wird. Hier sind der Phantasie keinerlei Grenzen gesetzt.

Es wird während des Betrachtens des Trauma-Filmes nur so viel an belastenden Reaktionen zugelassen, wie noch aushaltbar ist. Es soll nicht zu Überflutungen oder Dissoziationen kommen.
Jeder Durchgang endet damit, dass die sichere Situation am Ende bewusst wahrgenommen wird.

Wenn nach einem Durchgang noch Reste von der Belastung bleiben, kann ein weiterer Durchgang durchgeführt werden, bis die Belastung deutlich nachgelassen hat.

Diese sehr schonende Methode wurde von Luise Reddemann entwickelt und beruht darauf, dass das Traumageschehen von einer Inneren BeobachterIn bearbeitet wird.

Erlebende Anteile, z.B. die traumatisierten Inneren Kinder werden an den „Inneren sicheren Ort“ gebracht und müssen an der Konfrontation nicht teilnehmen.

Auch kann auf anderen Sinneskanälen als dem Sehen gearbeitet werden, so dass Erinnerungen nicht nur in Form von Bildern bearbeitet, sondern auch Körpererleben oder andere Empfindungen zu Grunde gelegt werden können.

Während der gesamten Exposition bleibt der Abstand zum Geschehen erhalten.

Gefühle, Bilder, Gedanken und Körperempfindungen werden konsequent aus der beobachtenden Rolle heraus wahrgenommen, die betroffene Person selber muss nicht in das Erleben hineintauchen, so dass diese Art der Bearbeitung äußerst schonend und behutsam abläuft. Die Kontrolle bleibt jederzeit erhalten.

zum Kapitel TRIMB®- Methode

In dieser Phase wird das Erlebte in die eigene Lebensgeschichte integriert und abgeschlossen.

Oft ist dann auch Trauern um Verlorenes oder Ungelebtes wichtig. Auch die Fähigkeit, sich selber Trost zu geben oder Trost durch andere Menschen anzunehmen, kommt in dieser Phase zum Tragen.

Oft stellen sich zu dieser Zeit auch Sinnfragen, das Erlebte wird in einen neuen Zusammenhang gebracht.

Häufig spielt auch die Auseinandersetzung mit Spiritualität eine wichtige Rolle.

Schließlich werden neue (Lebens-) Perspektiven entwickelt. Häufig ist in dieser Phase ein Haltungswechsel: „Vom Überleben zum Leben“.

Der Begriff „traumatic growth“ (übersetzt in etwa traumabedingtes Wachstum) meint, dass durch die Bewältigung der traumatischen Erfahrung neue Ressourcen und Fähigkeiten entwickelt und genutzt werden und dass mehr Tiefe, Reife und Weisheit erlangt werden kann, was das Leben schließlich bereichert.

Diese beschriebenen Phasen laufen nicht strikt hintereinander ab, sondern in einem zyklischen Prozess, d.h. dass Elemente aus verschiedenen Phasen sich auch abwechseln können.
So wird z.B. nach einer Traumakonfrontation vielleicht wieder Stabilisierungsarbeit erforderlich.
Die wichtigste Regel ist jedoch, dass keinesfalls zu früh mit der Traumadurcharbeitung begonnen werden soll, weil dies zu erheblichen Krisen und Retraumatisierungen führen kann, was dann den Heilungsprozess deutlich verzögert.

Suchen Sie sich eine PsychotherapeutIn, die eine spezielle Ausbildung in Traumatherapie durchlaufen hat und scheuen Sie sich nicht, danach bereits im Erstgespräch zu fragen.

In Traumatherapie geschulte TherapeutInnen geben hierzu bereitwillig Auskunft, da Aufklärung und das Beantworten von Fragen zum Konzept dazugehören.

Lassen Sie sich Methoden und Techniken, mit denen gearbeitet wird, gut erklären, wenn Ihnen dies Sicherheit gibt.

Die „Chemie“ sollte stimmen, Sie sollten sich gut aufgehoben fühlen und Vertrauen fassen können. Ihre Grenzen und Bedürfnisse sollten respektiert werden.